POSITIONSPAPIER DER FACHGESELLSCHAFTEN

Versorgung des ischämischen Schlaganfalls in Deutschland gehört in die Hände der neurologischen und neuro-/radiologischen Facharztdisziplinen

Zuletzt aktualisiert: Freitag, 13. Mai 2016

Der Schlaganfall ist in Deutschland mit ca. 260.000 Fällen jährlich eine der häufigsten Erkrankungen und die dritthäufigste Todesursache. Die Therapie der Wahl ist seit 20 Jahren die i.v.-Thrombolyse, das heißt die medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels, welches für den Hirninfarkt verantwortlich ist. Dieses Verfahren stößt jedoch bei  Verschlüssen von großen Hirngefäßen an seine Grenzen. Viele Patienten überleben den Schlaganfall nur mit schweren und bleibenden Behinderungen, die Sterblichkeit ist hoch.

In der Behandlung des ischämischen Schlaganfalls ist mit dem Jahr 2015 ein neues Zeitalter angebrochen. Die endovaskuläre Therapie, das heißt die minimalinvasive Entfernung des Blutgerinnsels mithilfe eines Kathetersystems (Stent-Retriever) unter angiografischer Bildkontrolle, hat in mehreren internationalen Multicenterstudien eine hohe Wirksamkeit gezeigt. Damit wurde diese Therapieoption zur evidenzbasierten, führenden Behandlung des schweren ischämischen Schlaganfalls.

 Flächendeckende Versorgung  möglich

Deutschland treffen diese neuen Studienergebnisse nicht unvorbereitet. Das System der Stroke-Units der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft e.V. (siehe Kasten), ohnehin ein international führendes Versorgungsnetz, sieht bereits seit dem Jahr 2012 vor, dass die überregionalen Versorgungseinheiten über das fachärztliche Personal verfügen müssen, um den schweren Schlaganfall mittels Thrombektomie zu behandeln.

Die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie e.V. hat gemeinsam mit der Deutschen Röntgengesellschaft e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und Minimalinvasive Therapie ein Zertifizierungssystem eingerichtet, welches unter anderem die Mindestfallzahl von 100 endovaskulären Rekanalisationsbehandlungen vorsieht (siehe Kasten). Noch in diesem Jahr  werden über 300 neuro-/radiologische Fachärzte über das Modul E „Rekanalisierende Maßnahmen“ verfügen. Mit dieser Zahl an hervorragend weitergebildeten Fachärzten ist eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung in Deutschland flächendeckend gewährleistet.

 Mehr als 7.000 Eingriffe 2015 dokumentiert

Die Interventionen werden im DeGIR-Register für Qualitätsmanagement auf freiwilliger Basis dokumentiert. Für das Jahr 2015 wurden mehr als 7.000 neuro-interventionelle Rekanalisationsbehandlungen ausführlich dokumentiert. Diese Zahl zeigt, dass die Thrombektomie einen festen Bestandteil der Versorgungsrealität darstellt.


Interdisziplinäre Behandlung des akuten Schlaganfalls nur in zertifizierten Strukturen!

Die Kombination aus umfassender Weiterbildung, struktureller Klarheit und Qualitätssicherung ist einzigartig im internationalen Vergleich. Die unterzeichnenden Fachgesellschaften betonen, dass die Thrombektomie ausschließlich von neuro-/radiologischen Fachärzten durchgeführt werden sollte. Nur diese verfügen über das notwendige pathophysiologische und technische Wissen, das zur erfolgreichen Anwendung dieses minimalinvasiven Verfahrens an Hirngefäßen notwendig ist. Die Thrombektomie muss deshalb in das flächendeckende Netzwerk zertifizierter Stroke Units eingebunden sein. Nur in diesen Strukturen ist es möglich, die Sterblichkeit beim schweren Schlaganfall weiter zu senken und das Behandlungsergebnis für Patientinnen und Patienten zu verbessern.

 Berlin, im Mai 2016

 Für die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) e.V.:

Prof. Dr. Christoph Groden (Mannheim), Präsident

 

Für die Deutsche Röntgengesellschaft e.V.:

Prof. Dr. Dierk Vorwerk (Ingolstadt), Präsident

 

Für den Berufsverband Deutscher Neuroradiologen (BDNR) e.V.:

Prof. Dr. Ansgar Berlis (Augsburg), Präsident

 

Für die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) e.V.:

Prof. Dr.  Ralf Gold (Bochum), Präsident

 

Für die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) e.V.:

Prof. Dr. Martin Dichgans (München), 1. Vorsitzender

 

Für die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR):

Prof. Dr. Arno Bücker (Homburg), Vorsitzender

 

Für den Berufsverband Deutscher Radiologen (BDR) e.V.:

Dr. med. Detlef Wujciak (Magdeburg), 1. Vorsitzender


 

Stroke Units in Deutschland & Neurovaskuläre Netzwerke

Deutschland verfügt über ausgezeichnete Versorgungsstrukturen zur Akutbehandlung des Schlaganfalls. Aktuell stehen bundesweit 279 von der DSG zertifizierte Stroke Units (SU) zur Verfügung. Es werden zwei Versorgungsstufen unterschieden: die regionalen SU mit 58 Prozent und die überregionalen SU mit einem Anteil von 38 Prozent, sowie telemedizinisch vernetzte SU (4 Prozent). Seit 2012 erfolgt die Zertifizierung überregionaler SU nur dann, wenn mindestens zwei Neuro-Interventionalisten vor Ort sind, die die Thrombektomie anbieten können. Eine strukturelle Weiterentwicklung des Systems sind die Neurovaskulären Netzwerke (NVN), die sich aktuell in der Pilotphase befinden. Bei den NVN werden überregionale Stroke Units mit einem Zentrum verknüpft, das über neurochirurgische und gefäßchirurgische Kompetenzen verfügt. Aufgabe der NVN ist die Behandlung sehr komplexer neurovaskulärer Erkrankungen.

Weitere Informationen unter www.dsg-info.de

 

DeGIR/DGNR-Zertifizierung „Modul E“

Seit dem Jahr 2012 bietet die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie e.V. in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und Minimalinvasive Therapie Zertifikate für die neuro-interventionellen Eingriffe an. „Modul E“, benannt nach der fortlaufenden Reihe interventionsradiologischer Behandlungsfelder, beinhaltet alle  gefäßeröffnenden Maßnahmen sowohl außerhalb als auch innerhalb des Schädels (extra- und intrakraniell). Zu diesen Maßnahmen gehört die mechanische Thrombektomie. 100 Eingriffe müssen für den Modulerwerb dokumentiert sein, davon mindestens je 30 extra- und 30 intrakraniell. Zugangsvoraussetzung ist der Facharzt für Radiologie.

Weitere Informationen unter www.dgnr.org

 

Weitere Materialien:

Die unterzeichnenden Fachgesellschaften haben seit 2015 noch folgende weitere Papiere verabschiedet:

Übernahme des ESO – ESMINT – ESNR – Papiers und Statement zur Versorgungssituation in Deutschland. Mai 2015: http://www.dgnr.org/de-DE/126/positionspapier-thrombektomie

Thrombektomie beim Schlaganfall: Schnellste Transporte und Netzwerkbildung erforderlich. Oktober 2015: http://www.dgnr.org/de-DE/141/thrombektomie-beim-schlaganfall-schnellste-transporte-und-netzwerkbildung-erforderlich

Darüber hinaus erschien Dezember 2015 ein Papier zum Thema im Deutschen Ärzteblatt:

https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=16&aid=173184&s=thrombektomie